Adventzeit – ein silbernes Wart-ein-Weilchen und ein goldenes Nixerlchen

hat uns Kindern die liebste Tante in der Adventszeit versprochen. Das gäbe es dann an Weihnachten. Für uns Kinder war das Warten-Müssen eine große Herausforderung. Warten – diese verordnete Langeweile, die aus der Mode gekommen ist. Dazu habe ich folgendes erlebt:

Die Bahn ist mir vor der Nase weggefahren. Ich habe nicht gut die Zeit gecheckt. Die nächste Linie 13 kommt erst in 15 Minuten. Ich muss warten! – was tun? In solch einer Situation holen ja viele das Smartphone heraus und telefonieren oder tippen auf dem Display herum. Mir geht es häufig auch so, aber heute will ich etwas anders machen.

Jetzt stehe ich also auf dem Bahnsteig, mir wird kalt. Etwas trostlos, diese Bahnhaltestelle. Gegenüber, ein Fenster im zweiten Stock scheint, in warmes Licht getaucht, herüber. Was tun die Menschen da? Was würde ich da tun? Vielleicht doch nur TV schauen, rumzappen! Ach, wieviel Zeit habe ich schon mit Salznüsschen vor schwachen TV Formaten gesessen. Will und vor allem: kann ich daran etwas ändern? Vielleicht nein.

Nach dieser kleinen Gedankenrunde sind es immer noch 11 Minuten, bis die nächste Bahn kommen sollte. Ich schaue mich um, ein anderer Mann ist hinzugekommen und checkt den Plan mit dem Liniennetz der KVB. Wo möchte er hin? Weiß er nicht, wie er dahin kommen kann? Sollte ich ihm meine Amateur-Kenntnisse als ehemaliger Pfadfinder anbieten? Oder findet er das vielleicht bedrängend? Sehr bieder gekleidet, naja, aber immerhin blinkt in seinem Ohr ein Ohrstecker. So ein Typ – wieso weiß der abends nicht, wie er an sein Ziel kommen kann? Fährt der nicht nach Hause? Geht da noch irgendein Abenteuer? Oh, Mann, ist mein Leben unauffällig und normal: kaum wird es dunkel, trabe ich müde und hungrig heim zur Futterkiste, esse noch ein paar Erdnüsse und dann ab in die Horizontale. Morgen wird ja wieder anstrengend!

Ist das wirklich schon alles, – das „bisschen Fußball und Kinderschreien – das muss doch noch irgendwo hingehen?“ fragt der Liederdichter Wolf Biermann. Was ist das Leben sonst noch? Ordentlich seine Energie verbrauchen, irgendwie „Quality-time“ generieren und ein wenig ausruhen und dann kommt der nächste Tag, der seine eigene Plage hat.

Nach etlichen weiteren Gedankenschleifen kommt dann endlich die Bahn, wir steigen gemeinsam in der Mitte ein. Ich ringe mich durch, als er sich zum Fahrkarten-Automat wendet: „Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?“ „Ja“, reagiert er und sagt dann laut zu allen Fahrgästen: „die Fahrausweise bitte!“

Hanser Brandt-von Bülow