Die fetten Jahre sind vorbei
ein polemischer Perspektivwechsel zum nahenden Jahresende

„Die fetten Jahre sind vorbei“ – mit diesem Filmtitel aus dem Jahr 2004 lässt sich das Lebensgefühl vieler Zeitgenoss*innen unserer Tage beschreiben.

Man merkt ständig – es geht einfach nicht mehr so weiter mit den gewohnten fetten Sicherheiten: günstiges Gas, günstiges Heiz-Öl und Benzin, niedrige Lebensmittelpreise, gemäßigte klimatische Bedingungen, dazu eine irgendwie solidarische Gesellschaft für die auf den Decks der Kreuzfahrtschiffe und „Bürgergeld“ für die, die unter Deck bleiben müssen.

Man merkt es allerorten: plötzlich sind sie gegenwärtig, die Versäumnisse und Fehler der trägen, fetten Jahre, die hinter uns liegen. Ich als ein Kind der „Geburten-starken Jahrgänge“ der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts nehme mich da nicht aus. Hinter mir liegt ein Leben, das ich als „Fette Jahre“ bezeichnen muss: Frieden, Schulbildung, Kühlschrank immer voll, Krankenversicherung, Wärme in der Wohnung, Brötchen-holen mit dem SUV.

Ich kann nicht klagen über Zurückliegendes. Oder doch?

Wie wär’s eigentlich, wir wechselten die Perspektive, bevor wir über Gegenwart und Zukunft zu klagen begännen?
Wir räumten ein:
Ja- das waren ja verschwenderische Jahre bisher. Voll die fette Verschwendung.

Jetzt aber kommen die wahrhaft fetten Jahre erst:

Jahre echter Solidarität: „Alle an Deck!“. Voll fett.

Jahre, in denen erlebt werden kann, dass „Leben“ auch mit weniger Luxus schön ist. Voll fett!

Jahre, der Solidarität der gesamten Menschheit und nicht nur der reichen Nationen. Voll fett!

Jahre des Miteinanders, weil wir uns sonst in Vereinzelung auf den Weg ins Aussterben machen. Voll fett!

Jahre, in denen wir unsere eigentlichen Bedürfnisse befriedigen und nicht ständig die gesellschaftlich antrainierten. „Man gönnt sich ja sonst nichts“ wird nun zu „So viel brauche ich gar nicht.“ Voll fett!

Da ist noch viel zu lernen für die Menschheit!“, denken Sie?

Ja – Aber dafür sind wir doch da!

Jeremia 29: „Suchet der Stadt Bestes.“

Amos 5: „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“

Jost Klausmeier-Saß